Die Spendenbereitschaft unter den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern für die Opfer der Flutkatastrophe ist ungebrochen. Wir haben mit Siegfried Moog, dem Vorsitzenden Geschäftsführenden Vorstand der Stiftungsfamilie BSW und EWH, darüber gesprochen, was die nächsten Schritte sind und wie die Spenden die betroffenen Bahnbeschäftigten erreichen.
Die Spendenbereitschaft der Bahnbeschäftigten ist überwältigend. Können Sie sich daran erinnern, dass es in der Vergangenheit so etwas schon einmal gab?
Wir hatten zur Flutkatastrophe im Jahr 2013 einen großen Spendenaufruf gestartet, bei dem über 1,3 Millionen Euro zusammengekommen sind. 2016, als es erneut zu Hochwassern in Deutschland kam, haben wir nicht nochmals für Spenden aufgerufen, weil der Spendentopf aus 2013 noch nicht aufgebraucht war. Damals hatten wir etwa hundert Anträge von Hilfebedürftigen, zur aktuellen Katastrophe sind wir bereits bei über 340. Insgesamt haben wir im Zuge der Hochwasser 2013 und 2016 etwa 1 Millionen Euro ausgezahlt, die von damals übrigen 300.000 Euro sind jetzt in die Soforthilfe geflossen. Das heißt, sie stammen nicht aus dem aktuellen Spendenaufruf, sondern diese Summe stand uns noch zweckgebunden für die Hochwasserkatastrophe zur Verfügung.
Wird die Stiftungsfamilie eigentlich nur bei Katastrophen dieses Ausmaßes aktiv?
Nein, keinesfalls. Spenden sind im Grunde das Tagesgeschäft der Stiftungsfamilie. Unser Auftrag ist es, Menschen und deren Familien in Notsituationen zu helfen, die im Bahnumfeld beschäftigt sind oder waren.
Haben Sie ein Beispiel, wie die Stiftungsfamilie jenseits von Katastrophen unterstützt?
Bei einer unserer letzten Aktionen haben wir über 30.000 Euro für eine Familie sammeln können, die ein schwerstbehindertes Kind hat. Auch wir haben selbst noch eine Summe draufgelegt, weil das Haus dringend umgebaut werden musste – sehr kostenintensive Arbeiten. Das zeigt unsere Bandbreite: Einerseits können wir durch gezielte Spendenaufrufe helfen, andererseits sind wir auch in der Lage, mit unseren eigenen Mitteln zu unterstützen.
Kommen wir noch einmal zurück zur aktuellen Spendenaktion für die Opfer der Flutkatastrophe. Viele möchten gern etwas genauer wissen, was mit den Spenden passiert. Können Sie dazu etwas sagen?
Wir sind jetzt gerade dabei, die Mittel einzusammeln und zu verwenden. Bis Mitte August haben wir bereits über 340 Anträge auf Soforthilfe erhalten, von denen wir schon über die Hälfte bearbeitet haben. Soforthilfe heißt: 1.000 Euro, sehr schnell ausgezahlt, ohne dass wir als Stiftung die finanzielle Bedürftigkeit überprüfen müssen. Wenn die Schadenssumme über 1.000 Euro liegt, dann geht dieser Antrag in die gegründete Kommission zur weiteren Beurteilung. Das sind dann ganz andere Dimensionen natürlich, etwa, wenn ein ganzes Haus abgerissen werden muss. Das ist für uns kein Tagesgeschäft mehr. Hierfür erarbeiten wir gerade einen Prozess, wie wir solche Anträge relativ schnell abarbeiten können. Mir ist an dieser Stelle allerdings ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir nicht nur mit Geld helfen, sondern wir bieten auch Sozialberatung für die Betroffenen an, da diese Situation ja teilweise traumatische Folgen hat. Und wir unterstützen zur Zeit etwa mit der Vermittlung von DB-eigenen Bautrocknern, die auf dem freien Markt quasi nicht verfügbar sind.
Wir liegen ja aktuell bei einer Spendensumme von gut 1,9 Millionen Euro. Welche Summe ist bereits an die Betroffenen ausgezahlt worden und nach welchen Kriterien werden die Spenden verteilt?
Nur eine Handvoll der Anträge beziehen sich auf Schäden unter 1.000 Euro. Das bedeutet, die Schadenssummen, die uns hier vorliegen, sind gigantisch größer als die, die wir in den letzten Jahren hatten. Die Kriterien legt eine Kommission fest und entscheidet die Anträge in erster Linie nach Dringlichkeit. Ich nenne mal zwei Beispiele: Eine Familie hat bei der Flut ihr Auto verloren. Jetzt müssen die Kinder in die Kita und die Kollegin oder der Kollege auf das Stellwerk, weil sie/er Fahrdienstleiterin oder Fahrdienstleiter ist. Die Dringlichkeit besteht darin, die Arbeitsfähigkeit herzustellen und z.B. 5.000 Euro für das Fahrzeug auszuzahlen; dann ist der Fall sozusagen abgeschlossen. Oder eine Familie hat ihr komplettes Hab und Gut verloren, das Haus, in dem sie gewohnt haben, ist nicht mehr existent. Hier ist die Dringlichkeit natürlich eine andere, das liegt auf der Hand. Die Beschaffung eines Autos für die Familie ist schneller umzusetzen, als die vielen Fragen zu klären, die sich aus dem Verlust des Zuhauses ergeben, z.B.: Welche Versicherungsleistungen werden fließen? Gibt es einen Fonds der Bundesregierung, der in diesem Fall greift? Darf an dieser Stelle überhaupt wieder gebaut werden? In der Kommission müssen wir also nach der Dringlichkeit, aber auch nach der Schadenshöhe und der persönlichen Situation bzw. der Situation vor Ort entscheiden. Den Handlungsleitfaden für die Kommission arbeiten wir gerade aus.
Können Sie noch etwas genauer auf die Kommissionarbeit eingehen?
Die Kommission wird alle zwei Wochen tagen, über alle bis dahin aufgearbeiteten Anträge entscheiden und die entsprechenden Schritte in die Wege leiten.
Die DB verdoppelt ja die Spendensumme. Gibt es da schon einen Stichtag?
Auch da sind wir dran, aber leider können wir derzeit noch kein konkretes Datum nennen. Für die Spendenaktion selbst gibt es aber kein Enddatum; es darf also sehr gerne auch über diesen Stichtag hinaus gespendet werden.