Waise – kaum ein Wort ruft traurigere Assoziationen hervor
Sofort haben wir Bilder im Kopf, die großes Leid beinhalten. Waisen sind Kinder, die einen oder beide Elternteile verloren haben, meist durch einen Unfall oder durch Krankheit. Auch Kinder, die aus schwerwiegenden Gründen nicht bei ihren Eltern leben können, werden hierzulande als Waisen bezeichnet. Eine weltweit verbindliche und einheitliche Regelung oder Definition gibt es nicht. Verlässliche Zahlen über die Zahl der Waisen, die ihre Eltern verloren haben, sucht man ebenfalls vergebens. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten im Jahr 2022 rund 29.000 Kinder und Jugendliche zumindest zeitweise in sogenannten stationären Einrichtungen – einige von ihnen wegen des Todes eines Elternteils oder sogar beider Eltern.
Die unsichtbaren Auswirkungen
Kinder, die ihre Eltern verlieren, tragen oft lebenslange emotionale Narben. Studien zeigen, dass der Verlust der Eltern in der Kindheit das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht. Die seelischen Verletzungen reichen oft tief. Kinder ohne Eltern können schulische und soziale Herausforderungen erleben. Ein starkes Umfeld und psychologische Betreuung sind entscheidend für ihre Entwicklung, doch sind diese Ressourcen oft begrenzt und nicht immer zugänglich. Gerade für jüngere Kinder sind Konstanz im Umfeld und stabile Bezugspersonen jedoch essenziell.
Der Weg der Resilienz
Waisen entwickeln andererseits häufig eine bemerkenswerte Resilienz, die sie stärker macht und ihnen ermöglicht, ihren eigenen Weg zu finden. Durch die besonderen Umstände, mit denen sie schon in jungen Jahren gezwungenermaßen konfrontiert sind, sind verwaiste Kinder mehr auf sich gestellt. Das kann zu einer stärkeren Widerstandsfähigkeit führen, die sie später besser durch Lebenskrisen bringt. Unabdingbar hierfür sind große Unterstützung, tiefe Zuwendung und ein gefestigtes soziales Umfeld. Auch die Stiftungsfamilie kann das Leid nicht ungeschehen machen, aber sie kann den Kindern zur Seite stehen.
Ein neues Zuhause für Kinder von Bahnbeschäftigten, die ihre Eltern verloren haben, zu schaffen: Damit begann Anfang des letzten Jahrhunderts die Geschichte des Eisenbahn-Waisenhorts, der heutigen Stiftung EWH. Wenn sich bei Waisen keine Verwandten um die Erziehung kümmern können, dann werden Kinder in Absprache mit dem Jugendamt meist bei Pflegeeltern oder in Kinderheimen untergebracht.
Schicksale hinter den Zahlen
Uns erreichen leider mehrere Dutzend Anfragen im Jahr im Zusammenhang mit einer Waisenschaft von Kindern. Hinter jeder Anfrage steckt ein trauriges Schicksal, das wir so gern ungeschehen machen würden: Ein dreijähriges Kind steht plötzlich allein da. Mutter und Vater sind zu Tode gekommen, weitere Familie gibt es nicht. Ein neunjähriger Junge verliert seinen Vater. Die Familie der Mutter lebt nicht in Deutschland, die des Vaters ist monatelang in tiefster Trauer. Manchmal erfahren wir die Hintergründe nicht. Und das ist völlig in Ordnung. In diesen Fällen zahlen wir schnell und unkompliziert eine Soforthilfe, um die erste Zeit zumindest finanziell etwas leichter zu machen.
Langfristige Begleitung
Manchmal sind wir stärker involviert. Unsere Sozialberatung kümmert sich beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt um die Klärung wichtiger kurzfristiger Fragen, lotet gegebenenfalls Möglichkeiten der Unterbringung aus, trägt die Kosten etwa des Kindergartens, begleitet psychologisch oder sorgt für entsprechende Beratung innerhalb ihres Netzwerks der sozialen Hilfe. Die Stiftungsfamilie handelt nachhaltig und steht den Betroffenen auch langfristig zur Seite. Solange Waisen Kindergeld beziehen, können wir finanziell aktiv werden. Dabei arbeiten die Stiftungen BSW und EWH Hand in Hand: In der Regel sind beide Stiftungen im Falle einer Waisenschaft beteiligt. Deshalb ist es so wertvoll, wenn Sie nicht nur Mitglied in der Stiftung BSW sind, sondern auch in der Stiftung EWH.
„Es geht uns gut“
Eine junge Frau, nennen wir sie Anna, verlor ihren Mann noch vor der Geburt der gemeinsamen Tochter, die jetzt fünf Jahre alt ist. Anna war noch nicht lange in Deutschland, als sie ihren Mann kennen- und lieben lernte. Die beiden heirateten drei Jahre später, Anna wurde schwanger und es sollte die schönste Zeit ihres Lebens folgen. Dann der Schock und tiefe Verzweiflung. „Am Anfang konnte ich gar nichts machen, ich war wie starr. Die Familie meines Mannes hat mir damals viel geholfen und über sie kam ich dann auch an die Stiftungsfamilie. Mein Mann kommt aus einer Bahnfamilie. Mittlerweile geht es uns gut. Soweit das eben geht.“ Zusätzlich zu einer damals gezahlten Soforthilfe berät und unterstützt die Stiftungsfamilie Anna, wo es möglich ist. Sie arbeitet nun auch bei der Deutschen Bahn in Teilzeit und blickt optimistisch in ihre Zukunft. Ihre Tochter wird nächstes Jahr eingeschult, worauf sich beide sehr freuen.
Fast wie eine zweite Familie
Manchmal melden sich als Kinder verwaiste Menschen bei uns, die lange schon erwachsen sind. Sie möchten die damals empfangene Hilfe zurückgeben. So ist ein heute 45-jähriger Ingenieur Stiftungsfamilienmitglied, weil er als Zehnjähriger seinen Vater durch einen Unfall verloren hat. Der Vater war bei der Bahn beschäftigt gewesen, er selbst ist andere berufliche Wege gegangen. „Ich habe nicht vergessen, dass meine Mutter damals Soforthilfe erhalten hat. Nicht nur das Geld war wichtig, sondern vor allem das Gefühl, dass da jemand ist, an den man sich wenden kann. Ich finde die Arbeit der Stiftungsfamilie ungemein wertvoll. Sie konnte mir meinen Vater nicht zurückbringen, aber sie war da.“
Sie brauchen Unterstützung oder wissen von einer Familie, die Hilfe benötigt?
Melden Sie sich bei uns: telefonisch unter 069 809076-166 oder per E-Mail an hilfen@stiftungsfamilie.de. Auch unsere Sozialberatung ist telefonisch unter 0800 0600 0800 oder per E-Mail an beratung@stiftungsfamilie.de für Sie da.