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19.11.2024
Tina und Dirk Kaller waren im Frühjahr 2010 mitten im Hausbau in Schwalbach am Taunus und froher Erwartung ihres Kindes. Als Nils im Juni geboren wurde, schien das Glück zunächst perfekt – bis sich kurz nach der Geburt zeigte, dass etwas nicht stimmte. Die Genanalyse einige Zeit später brachte Gewissheit: Der Junge hat eine seltene und bisher kaum erforschte Chromosomenstörung.
„Die Diagnose stellte uns vor ungeplante Herausforderungen“, erinnert sich Dirk Kaller. „Vor allem, weil es keine fundierten statistischen Untersuchungen zu Nils‘ Krankheitsbild gibt. Dazu ist diese Chromosomenstörung zu speziell. Wir wissen bis heute nur so ungefähr, was auf uns zukommt. Klar war nur, dass unser Kind vermutlich immer auf unsere Hilfe angewiesen sein wird. Deshalb haben wir das Haus damals schon so barrierefrei wie möglich umgestaltet. Wir waren noch mitten im Bau. Aber das hatte natürlich seine Grenzen. Grundriss sowie Etagenzahl ließen sich nicht mehr ändern. Und, ganz ehrlich, wenn ein Kind klein ist, sieht man die künftigen Herausforderungen noch nicht so sehr.“ Dazu kam, dass sich die Eltern erst einmal voll auf ihren Sohn fokussieren wollten: Nils musste sich bereits mit zehn Monaten einer Herz-OP unterziehen, einige weitere OPs folgten. Zuletzt wurden Fehlstellungen an beiden Beinen korrigiert. Bis heute kann Nils nicht allein laufen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen.
Tina und Dirk Kaller machen in den Folgejahren alles, was Nils‘ Förderung vorantreibt und was sie selbst als Eltern beeinflussen können: Frühförderung, Physiotherapien, therapeutisches Reiten und mehrwöchige Intensivtherapien an der Uniklinik in Köln. Auch in ihrer Freizeit versucht die Familie, ein Höchstmaß an Normalität zu leben: gemeinsame Radtouren entweder mit Nils‘ Therapierad oder im speziellen Anhänger, Urlaube am Meer oder gemeinsames Skifahren. Nils geht in die Krippe, in den Kindergarten und seit einigen Jahren auf eine Förderschule in Hofheim. „Für uns ist es ganz wichtig, dass Nils an der Gesellschaft teilhaben kann, soziale Kontakte hat und möglichst viel draußen ist. Er ist so positiv und empathisch und sehr kontaktfreudig. Und immer lächelt er. Er gibt uns wahnsinnig viel, unser ‚Sympathie-Sauger‘, wie wir ihn nennen“, erzählt der im Bereich der DB-Reisendeninformation beschäftigte Vater.
Nils sollte noch Geschwister bekommen. Mit der Diagnose, dass es sich um eine genetische Erkrankung handelt und Nils die Entwicklungsverzögerung niemals aufholen würde, war dieser Plan hinfällig. „Uns war schnell klar, dass Nils unsere ganze Aufmerksamkeit und Liebe bekommen sollte. Und er gibt uns so viel zurück. Nils ist ein durch und durch positiver Junge, der viel Freude in unser Leben bringt. Manchmal ist er aber auch eine echte Aufgabe, insbesondere jetzt in der Pubertät“, sagt Dirk Kaller lächelnd.
Nils leidet an stark epileptischen Anfällen, die ihn anschließend häufig in abrupten Schlaf versetzen. Die Anfälle kommen plötzlich und unkontrolliert, sodass er tagsüber rund um die Uhr betreut und begleitet werden muss. Nils‘ Epilepsie ist nicht dauerhaft medikamentös einstellbar, so dass der 14-Jährige immer mit dieser Einschränkung leben wird. Das stellt die Eltern vor zusätzliche Herausforderungen. „Meine Frau arbeitet bei einem Energieversorger, kann aber nur in Teilzeit an den Tagen tätig sein, an denen Nils länger Schule hat. Der Transport ist glücklicherweise durch einen rollstuhlgerechten Bus sichergestellt. An den kurzen Schultagen schauen wir, dass Nils seine Therapien außer Haus wahrnimmt, und täglich machen wir physiotherapeutische Übungen zuhause. Wir sind ein eingespieltes Team und kriegen das alles gut gestemmt – aber die Epilepsien sind einfach nicht kontrollierbar. Dazu kommt, dass Nils sehr infektanfällig und deshalb oft krank ist. Er kann dann natürlich nicht zur Schule gehen und muss zu Hause betreut werden. Und das wird im buchstäblichen Sinne immer schwerer: Meine Frau kann Nils schon seit einiger Zeit nicht mehr tragen und auch ich komme hier langsam an meine Grenzen“, sagt der 50-Jährige.
Dirk Kaller konnte deshalb in der Vergangenheit Dienstreisen über Nacht schwerlich antreten – seine Frau wäre allein gewesen. Die Großeltern leben zu weit entfernt und sind außerdem höheren Alters, sodass sie in Extremsituationen nicht helfen könnten. „Wir haben eine tolle Nachbarschaft, die uns bei der Betreuung unterstützt. Aber für Nils‘ Mobilität und Transport im Haus brauchten wir eine dauerhafte Lösung, die uns unabhängig machen und langfristig funktionieren würde. Insofern hat sich für uns dann irgendwann die Frage gestellt, ob wir nachträglich einen Aufzug ins Haus bauen könnten. Damit wäre zumindest Nils‘ Transport innerhalb des Hauses bedeutend leichter, sodass Tina eben auch mal allein zurechtkäme. Im Falle von morgendlichen Anfällen könnte Nils ohne Aufzug ja nicht am Unterricht teilnehmen, da das Überwinden der Treppe mehr und mehr eine echte Barriere darstellt.“
Aber der finanzielle Aufwand ist immens. „Wir erhalten oft erst nach hartem Ringen die notwendigen Hilfsmittel, die Nils braucht“, führt Dirk Kaller aus. „Vieles stemmen wir natürlich selbst. Aber einen Aufzug im Haus hätten wir schwerlich allein finanzieren können. Als wir damals die Geschichte der Familie Nowak (Anm. d. Red.: vgl. Seite 10) im Magazin gelesen haben, waren wir sehr berührt und erkannten uns in der Situation wieder. Als langjähriges Mitglied habe ich dann bei der Stiftungsfamilie nachgefragt – und wurde sehr verständnisvoll empfangen. Dass wir so schnell und unbürokratisch unterstützt wurden, ist immer noch unfassbar für uns“, freut sich der DB-Beschäftigte. „Wir sind sehr dankbar dafür.“
Die Stiftungsfamilie hilft ganzheitlich – etwa in puncto Pflege: In Kooperation mit der BAHN-BKK und compass private pflegeberatung bieten wir persönliche Fachberatung, Online-Pflegekurse und die Auszeit für pflegende Angehörige. Gleich auf www.stiftungsfamilie.de/unterstuetzung informieren oder Kontakt zur Abteilung Soziales aufnehmen: telefonisch unter 0800 0600 0800 oder per E-Mail unter beratung@ stiftungsfamilie.de
Familie Kaller
Nils im neuen Aufzug
Radausflug
Urlaub in den BSW-Ferienwohnungen Brockenblick