Soziale Teilhabe fast wie in echt

29.11.2024

Sophie ist sechs Jahre alt, als bei ihr eine Nebenniereninsuffizienz mit dadurch bedingter Fatigue diagnostiziert wird. Fatigue ist eine typische Begleiterscheinung schwerer Erkrankungen, die sich durch anhaltende Müdig- und Kraftlosigkeit bemerkbar macht. Sophies Mutter erzählt uns, wie die Technik ihrer mittlerweile achtjährigen Tochter hilft, trotz Krankheit weiterhin am sozialen Leben teilzunehmen. Die DB-Beschäftigte ist nämlich auf einen Roboter aufmerksam geworden, der für Sophie in die Schule geht.

„Sophie würde gerne jeden Tag in die Schule ge­hen, ihre Freunde in der Klasse sehen und dem Unterricht folgen. Dies ist leider jedoch nicht möglich, da sie häufig zu kraftlos ist. Darü­ber ist Sophie sehr traurig. Vor den Som­merferien hatten wir eine Zeit, in der sie fast zweieinhalb Monate nicht in die Schule gehen konnte. Als es dann wieder möglich war, sagte Sophie, dass sie sich fast gar nicht mehr an die Schule erinnern könne.“

Um dies zu verbessern und um an allen Fächern teilhaben zu können, nutzt Sophie seit Ende Oktober einen kleinen Avatar. Er wird an Sophies Fehltagen auf ihren Platz gestellt und überträgt den Unterricht direkt per Livestream auf ein Tablet zu ihr nach Hause. Dadurch kann sie teilnehmen und ist trotz längerer Abwesenheit im Schulalltag und in ihre Klassengemeinschaft integriert.

Die Stiftungsfamilie übernimmt die laufen­den Kosten für Sophies Avatar.

Auf dem Tablet sieht Sophie dann nicht nur das Schulzimmer bzw. die Tafel, sondern auch die anderen Kinder. Sie kann den Kopf drehen, den Ausdruck „ihrer“ Augen anpassen oder virtuell die Hand heben – dann blinkt ihr Ava­tar grün. Sophie hat auch die Möglichkeit, nur passiv teilzunehmen, wenn sie mal eine Pause braucht. Ihr Avatar kann ganz leicht auch das Klassenzimmer wechseln: Dann wird er einfach in den nächsten Raum mitgenommen.

Der Avatar selbst ist in der Anschaffung teuer. Dank des persönlichen Einsatzes von Susann Schrödel und mit der Hilfe des Vereins ACHSE e.V. wurde der Familie ein Avatar zur Verfügung gestellt. Die monatlich laufenden Kosten konnten jedoch nicht zusätzlich übernommen werden. Des­halb war die Freude groß, als die Familie erfuhr, dass die Stiftungsfamilie sie dabei unterstützt. „Ein riesiges Danke­schön an alle, die das möglich gemacht haben!“

„Chronische Erkrankungen können zu langen Abwesenheiten von der Schule führen. Die dadurch entste­hende Isolation macht es schwerer für die Kinder, sich zu erholen und zur Schule zurückzukehren, wenn es ihnen besser geht. Chronisch kranke Kinder haben das Recht auf Teilhabe. Dafür engagiere ich mich, unter anderem mit dem Bereitstel­len von Avataren für Kinder mit seltenen chronischen Erkrankun­gen.“ Susann Schrödel

Weitere Informationen und ein Erklärvideo zu den Einsatzmög­lichkeiten des Avatars unter www.noisolation.com

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19.11.2024
 

Ein Aufzug für Nils

Tina und Dirk Kaller waren im Frühjahr 2010 mitten im Hausbau in Schwalbach am Taunus und froher Erwartung ihres Kindes. Als Nils im Juni geboren wurde, schien das Glück zunächst perfekt – bis sich kurz nach der Geburt zeigte, dass etwas nicht stimmte. Die Genanalyse einige Zeit später brachte Gewissheit: Der Junge hat eine seltene und bisher kaum erforschte Chromosomenstörung. „Wenn ein Kind klein ist …“ „Die Diagnose stellte uns vor ungeplante Heraus­forderungen“, erinnert sich Dirk Kaller. „Vor allem, weil es keine fundierten statistischen Untersu­chungen zu Nils‘ Krankheitsbild gibt. Dazu ist die­se Chromosomenstörung zu speziell. Wir wissen bis heute nur so ungefähr, was auf uns zukommt. Klar war nur, dass unser Kind vermutlich immer auf unsere Hilfe angewiesen sein wird. Deshalb haben wir das Haus damals schon so barrierefrei wie möglich umgestaltet. Wir waren noch mitten im Bau. Aber das hatte natürlich seine Grenzen. Grundriss sowie Etagenzahl ließen sich nicht mehr ändern. Und, ganz ehrlich, wenn ein Kind klein ist, sieht man die künftigen Herausforderungen noch nicht so sehr.“ Dazu kam, dass sich die Eltern erst einmal voll auf ihren Sohn fokussieren wollten: Nils musste sich bereits mit zehn Monaten einer Herz-OP unterziehen, einige weitere OPs folgten. Zuletzt wurden Fehlstellungen an beiden Beinen korrigiert. Bis heute kann Nils nicht allein laufen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. „Nils gibt uns wahnsinnig viel“ Tina und Dirk Kaller machen in den Folgejahren alles, was Nils‘ Förderung vorantreibt und was sie selbst als Eltern beeinflussen können: Früh­förderung, Physiotherapien, therapeutisches Reiten und mehrwöchige Intensivtherapien an der Uniklinik in Köln. Auch in ihrer Freizeit ver­sucht die Familie, ein Höchstmaß an Normalität zu leben: gemeinsame Radtouren entweder mit Nils‘ Therapierad oder im speziellen Anhänger, Urlaube am Meer oder gemeinsames Skifahren. Nils geht in die Krippe, in den Kindergarten und seit einigen Jahren auf eine Förderschule in Hof­heim. „Für uns ist es ganz wichtig, dass Nils an der Gesellschaft teilhaben kann, soziale Kontakte hat und möglichst viel draußen ist. Er ist so positiv und empathisch und sehr kontaktfreudig. Und im­mer lächelt er. Er gibt uns wahnsinnig viel, unser ‚Sympathie-Sauger‘, wie wir ihn nennen“, erzählt der im Bereich der DB-Reisendeninformation be­schäftigte Vater. „Das greift einen schon an“ Nils sollte noch Geschwister bekommen. Mit der Diagnose, dass es sich um eine genetische Er­krankung handelt und Nils die Entwicklungsverzö­gerung niemals aufholen würde, war dieser Plan hinfällig. „Uns war schnell klar, dass Nils unsere ganze Aufmerksamkeit und Liebe bekommen soll­te. Und er gibt uns so viel zurück. Nils ist ein durch und durch positiver Junge, der viel Freude in unser Leben bringt. Manchmal ist er aber auch eine echte Aufgabe, insbesondere jetzt in der Pubertät“, sagt Dirk Kaller lächelnd. „Nils ist sehr anfällig“ Nils leidet an stark epileptischen Anfällen, die ihn anschließend häufig in abrupten Schlaf versetzen. Die Anfälle kommen plötzlich und unkontrolliert, sodass er tagsüber rund um die Uhr betreut und begleitet werden muss. Nils‘ Epilepsie ist nicht dauerhaft medikamentös einstellbar, so dass der 14-Jährige immer mit dieser Einschränkung leben wird. Das stellt die Eltern vor zusätzliche Herausforderungen. „Meine Frau arbeitet bei einem Energieversorger, kann aber nur in Teilzeit an den Tagen tätig sein, an denen Nils länger Schule hat. Der Transport ist glücklicherwei­se durch einen rollstuhlgerechten Bus sichergestellt. An den kurzen Schultagen schauen wir, dass Nils sei­ne Therapien außer Haus wahrnimmt, und täglich ma­chen wir physiotherapeutische Übungen zuhause. Wir sind ein eingespieltes Team und kriegen das alles gut gestemmt – aber die Epilepsien sind einfach nicht kon­trollierbar. Dazu kommt, dass Nils sehr infektanfällig und deshalb oft krank ist. Er kann dann natürlich nicht zur Schule gehen und muss zu Hause betreut werden. Und das wird im buchstäblichen Sinne immer schwerer: Meine Frau kann Nils schon seit einiger Zeit nicht mehr tragen und auch ich komme hier langsam an meine Grenzen“, sagt der 50-Jährige. „Wenn ich nicht da bin …“ Dirk Kaller konnte deshalb in der Vergangenheit Dienst­reisen über Nacht schwerlich antreten – seine Frau wäre allein gewesen. Die Großeltern leben zu weit ent­fernt und sind außerdem höheren Alters, sodass sie in Extremsituationen nicht helfen könnten. „Wir haben eine tolle Nachbarschaft, die uns bei der Betreuung unterstützt. Aber für Nils‘ Mobilität und Transport im Haus brauchten wir eine dauerhafte Lösung, die uns unabhängig machen und langfristig funktionieren wür­de. Insofern hat sich für uns dann irgendwann die Fra­ge gestellt, ob wir nachträglich einen Aufzug ins Haus bauen könnten. Damit wäre zumindest Nils‘ Transport innerhalb des Hauses bedeutend leichter, sodass Tina eben auch mal allein zurechtkäme. Im Falle von mor­gendlichen Anfällen könnte Nils ohne Aufzug ja nicht am Unterricht teilnehmen, da das Überwinden der Treppe mehr und mehr eine echte Barriere darstellt.“ „Wir sind sehr dankbar für die Hilfe“ Aber der finanzielle Aufwand ist immens. „Wir erhalten oft erst nach hartem Ringen die notwendigen Hilfsmit­tel, die Nils braucht“, führt Dirk Kaller aus. „Vieles stem­men wir natürlich selbst. Aber einen Aufzug im Haus hätten wir schwerlich allein finanzieren können. Als wir damals die Geschichte der Familie Nowak (Anm. d. Red.: vgl. Seite 10) im Magazin gelesen haben, waren wir sehr berührt und erkannten uns in der Situation wieder. Als langjähriges Mitglied habe ich dann bei der Stiftungs­familie nachgefragt – und wurde sehr verständnisvoll empfangen. Dass wir so schnell und unbürokratisch unterstützt wurden, ist immer noch unfassbar für uns“, freut sich der DB-Beschäftigte. „Wir sind sehr dankbar dafür.“ Die Stiftungsfamilie hilft ganzheitlich – etwa in puncto Pflege: In Kooperation mit der BAHN-BKK und com­pass private pflegeberatung bieten wir persönliche Fachbe­ratung, Online-Pflegekurse und die Auszeit für pflegende Angehörige. Gleich auf www.stiftungsfamilie.de/unterstuetzung informieren oder Kontakt zur Abteilung Soziales aufnehmen: telefonisch unter 0800 0600 0800 oder per E-Mail unter beratung@ stiftungsfamilie.de

Menschen im Mittelpunkt