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01.03.2021
Von 1970 bis 2013 war Martin Nommensen als Lokführer bei der Bahn angestellt – genauso wie der Großvater, Onkel und Cousin. Gemeinsam schwelgen wir mit dem Lokomotivbetriebsinspektor i.R. in Erinnerungen an eine bewegte Zeit in der Eisenbahnerfamilie.
Herr Nommensen, Sie haben ein Buch mit dem Titel „Traumberuf Lokführer“ geschrieben. War Ihnen als Kind also schon klar, dass Sie diesen Beruf ergreifen werden?
Ganz so war es nicht. Zunächst habe ich eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker gemacht, was sich dann als sehr nützlich erwies – denn eine solche Lehre war die Voraussetzung für die Ausbildung zum Lokführer. Mein Vater hat mich so ein bisschen in die Richtung geschubst; die Bahn suchte gerade dringend Lokführer und da einige in meiner Familie schon bei der Bahn waren, bin ich auch dieser Tradition gefolgt.
Wie war das dann für Sie, als Sie mit dem Beruf anfingen?
Ich habe meine Lokführerprüfung 1972 gemacht, da durfte ich gar nicht selber fahren, weil ich noch nicht 21 Jahre alt war – die damalige Volljährigkeit. Mir fehlten noch zwei Monate, deshalb bin ich zunächst als zweiter Mann mitgefahren. An meinem 21. Geburtstag fuhr ich dann gleich in der Nacht noch einen Zug über den Hindenburgdamm nach Westerland, was natürlich sehr aufregend war. Stellen Sie sich das einmal vor: Der erste Zug und dann gleich so eine außergewöhnliche und anspruchsvolle Strecke!
Was ist das Tolle daran, Lokführer zu sein?
Man ist frei! Ich melde mich zum Dienst, gehe auf meine Lok und dann bin ich mein eigener Herr. Die Lok ist quasi meine Firma. Und da ist der Spaß an der Arbeit: Der Ehrgeiz, pünktlich zu sein, die Menschen, die einem zuwinken. Die Sicherheit des Jobs ist natürlich ein weiterer Pluspunkt.
Gibt es Nachteile?
Was schwierig ist, ist der Wechseldienst. Und natürlich fühlt man sich irgendwann auch mal alleine – das ist praktisch die Kehrseite der Freiheit. Für das Fahrpersonal waren außerdem die Öffnungszeiten der Kantinen unpassend, da sie sich eher an den Zeiten der Büroleute orientieren. Deshalb hatte man dann immer viel Kleingeld dabei, um sich aus den Automaten etwas zu kaufen und es in der Mikrowelle warm zu machen. Manchmal gingen die dann aber nicht … Aber es gab auch schöne Beispiele aus der Bahnerfamilie: In der Lehrter Dienststelle konnte man sich immer eine Wurst warmmachen oder einen Kaffee holen – der dortige Aufsichtsbeamte stellte das in eigener Regie zur Verfügung! Und vertraute den Bahnern, dass sie ihm das Geld dafür auf den Schreibtisch legten, da er selbst oft draußen auf den Gleisen beschäftigt war.
Den Spitznamen „Bleistift Martin“ bekamen Sie bestimmt daher, weil sie den immer für Ihre Arbeit dabeihatten.
Nein, nicht ganz. Zwar sieht man mich nie ohne Bleistift hinterm Ohr, aber der Grund ist, dass mir zwischendurch immer Gedichte, kleine Geschichten einfallen und da wäre es fatal, wenn ich nichts zum Aufschreiben hätte. Natürlich haben Sie auch recht: Früher war der Bleistift auch bei der Arbeit nützlich … Wurde man im Winter vom Fahrdienstleiter angerufen: „Du musst mal deinen Zug ablaufen, beim zweitletzten Wagen funkt es!“ Dann stiefelte man durch den Schnee dorthin, hat sich die Wagennummer notieren wollen … und wenn man dann nur einen Kugelschreiber hatte, ging der wegen der Kälte oft nicht. Meine Frau sagte sogar, den Bleistift kannst du bei der Hochzeit ruhig aufbehalten, das ist dein Markenzeichen! Deshalb ist er auch auf unserem Hochzeitsfoto zu sehen.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es 1994 noch 117.000 Eisenbahner gab und 2002 nur noch 60.000 – also fast die Hälfte. Wie kommt das?
In den siebziger Jahren bestand eine Rangierkolonne immer aus vier bis fünf Leuten plus Lokführer. Wir hatten ja keinen Funk und nichts, daher mussten sich alle untereinander sehen können. Später stand nur einer an der Spitze und hat über Funk mit dem Lokführer kommuniziert. Da brauchte man schon zwei bis drei Mann weniger. Heute hat der Lokführer einen Bauchladen mit Joystick, mit dem er die Lok selbst führt. Von dieser Rangiergruppe von fünf, sechs Leuten ist nur noch einer übrig geblieben. Außerdem gab es früher auf jedem kleinen Bahnhof eine Rangierlok. Heute gibt es diese kleinen Bahnhöfe gar nicht mehr.
Haben Sie noch Kontakt zu anderen Eisenbahnern?
Einige Kollegen habe ich dieses Weihnachten per Brief kontaktiert, normalerweise würden wir uns treffen. Sie sind ein bisschen älter, 84, 87 Jahre, alt und haben deshalb keinen Computer. Mit einigen tausche ich auch E-Mails aus oder wir telefonieren. Der persönliche Kontakt zu diesen ehemaligen Kollegen fehlt momentan natürlich.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich hoffe, dass viele Strecken wiederbelebt werden. In der Weihnachtszeit ist es für uns aus dem Speckgürtel Hamburgs zum Beispiel viel einfacher mit der Bahn nach Hamburg zu fahren. Dann können wir in Ruhe einkaufen und zum Abschluss noch auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein trinken – das ist viel entspannter als mit dem Auto.
Im Rückblick auf Ihr Berufsleben, was würden Sie da sagen?
Die Eisenbahn ist immer noch das tollste Unternehmen für mich und auch für die Umwelt ist doch die Bahn das Beste.
Buchtipp:
Martin Nommensen: "Traumberuf Lokführer"
Kontakt für Buchbestellung kann unter 04183/5866 oder bleistift-martin@t-online.de hergestellt werden.
Preis: 17,65 Euro, Porto übernimmt der Autor